Sammelsurium

Gespräche in der realen, virtuellen, imaginären Welt mit Erwachsenen, Kindern und anderen Wesen.

Handschrift

"Wenn Sie so viel in den Sozialen Medien tippen, werden Sie irgendwann überhaupt nichts mehr per Hand notieren können."
 
"Nur keine Sorge! Ich schreibe hunderte Zettel jeden Tag mit der Hand."
 
"Was denn für Zettel?"
 
"Na, alles was mir einfällt und alles was ich noch tun soll oder muss. Sonst verschludere ich das. Das summiert sich pro Tag in Buchstaben mindestens zu einer Kurzgeschichte."
 
Ich finde den Besorgnislevel mancher Mitmenschen einfach entzückend.

Alles wird gut?

„Die Hälfte vom November ist ja bald rum, danach wird es besser.“
 
„Ähm. Nein. Das wird sich ziehen, bis eine allgemein zugängliche Impfung auf dem Markt ist. Erst dann wird sich der Staat wieder ausklinken. Dann liegt es wieder in der Einzelverantwortung jedes Bürgers. So wie bei allen anderen Krankheiten auch, für die es Impfmöglichkeiten gibt.“
 
„So nach dem Motto: Du hast Corona und die Betten sind alle belegt? Pech gehabt, hättest dich ja impfen lassen können?“
 
„Ja.“
 
„Das ist aber irgendwie sehr pessimistisch, Frau Müller!“
 
„Pessimistisch? Nein. Eher realistisch, wenn ich mir den bisherigen Ab- und Umbau des Gesundheitswesens in den letzten Jahrzehnten, also vor und auch während Corona so anschaue. Systemimmanent würde ich sagen."

Werk und KünstlerIn

 

„Frau Müller, schauen Sie sich Filme an, lesen Sie Bücher, goutieren Sie Kunstwerke und Musikstücke auch von Menschen, von denen sie wissen, dass diese, nach Ihren Maßstäben, menschlich versagt haben. Also Betrüger, Lügner, Gewalttäter waren/sind?“
 
„Ja. Ich habe schon sehr früh in meinem Leben diese Entscheidung getroffen (war übrigens Karl Marx, der mich dazu brachte) und ich habe sie mir nicht leicht gemacht und komme auch immer wieder an meine Grenzen dabei.
Ich trenne zwischen Werk und Autorin/Autor, etc., und nehme aus ihren Werken das mit, was mit genehm ist.
Das ändert jedoch nichts daran, dass ich ihr allgemeines oder spezielles Tun aufs heftigste kritisieren und ablehnen kann. Das sind für mich persönlich zwei ganz unterschiedliche Ebenen.
Ganz pragmatisch: Wenn ich diese Trennung nicht vornehmen würde, dann würde mir eine Menge an Wertvollem, ja allereigentlich fast alles, aus dem literarischen, künstlerischen, philosophischen Schaffen der Menschen in Geschichte und Raum entgehen.
Banales Beispiel: Alice Miller. Sie hat so viele Türen zum Verständnis von Gewalt gegen Kinder eröffnet und war doch selbst eine erbärmliche, vernachlässigende Mutter. Trotzdem halte ich ihre Texte für wesentlich und in Teilen wunderbar. Oder nehmen Sie andere Beispiele, die Ihnen persönlich wichtig erscheinen.
 
Würde ich nicht trennen zwischen Werk und KünstlerIn (im weitesten Sinne), dann wäre ich viel ärmer an Wissen und Verständnis.“
 
Wie handhabt Ihr das?

Gelangweilt

"Sie sind schreibenderweise sehr still zurzeit, Frau Müller. Abgenervt oder ermüdet?"

"Ganz ehrlich? Ich bin schlichtweg gelangweilt. Immer wieder die gleichen Themen, die gleichen Ansagen, die gleichen blablablubb Schleifen. Und ich bin wohl ein Teil davon. Es kotzt mich an."
 
"Und jetzt?"
 
"Nix. Langeweile ist in meiner Welt ein Menschrecht und wenn man sich ihr hingibt und sie sein lässt, dann entspringen daraus oft sehr interessante und neue Anregungen. Also, wird schon. Bin ich mir sicher."

Menschsein

"Hautfarbe, Herkunft, Religion, Geschlecht, alles egal. Auf die inneren Werte kommt es an, dann ist es einfach nur ein Mensch."
 
"Sorry, auch die inneren Werte sind scheißegal. Auch der größte Drecksack ist und bleibt ein Mensch."
 
Was ist daran so schwer zu verstehen: Mensch ist Mensch - egal was er macht, tut, denkt.

Bitch

 „Ey bitch, kannste mich mal in Ruhe lassen!“
 
„Alter, noch so einen Spruch und ich nagle dich an die Wand. … … … Ähm … Moment, hast du mich gerade um Jahrzehnte jünger gemacht? …Bitch …. Wie süß bist du denn, Schnuckelchen.“
 
Es war irgendwie nicht wirklich deeskalierend. 

Sommer 2020

„Ich komme dann morgen zu dir.“

„Klar, kein Problem. Wir sitzen aber im Garten.“
 
„Wieso im Garten? Wegen Corona? Das ist doch dämlich. Alles nur Panikmache.“
 
„Und die hunderttausend Toten weltweit?“
 
„Alles nur Märchen und Dummzeugs. Wer selbst denken kann, glaubt so ein Zeugs nicht. Ich hielt dich bisher wirklich für intelligenter.“
 
„Lass mich kurz nachdenken. Warst du nicht diejenige, wegen der wir letztes Jahr unser Weiberessen verschieben mussten, weil an dem geplanten Tag Uranus quer zu deinem Mond in den Fischen stand? Oder der wir seit Jahren den Einkauf mitbringen mussten, weil du niemals, wirklich niemals an einem Freitag dem 13. das Haus verlassen würdest?“
 
„Ähm“
 
„Genau!“
 
Manchmal bekommt man auch noch nach Jahren Einblicke, die überraschen. *grummel

Konsequenz

„Sie gehen nicht ins Schwimmbad, weil da Leute rein gepisselt haben. Sie treffen sich aber abends mit fremden Leuten zur Party in stickigen Räumen. Wissen Sie, was die alles vorher im Mund hatten und was Sie da mit einatmen? Und überhaupt, gerade jetzt?“  

„Wollen Sie mir nun auch noch das bisschen Spaß verderben, den ich in diesen Zeiten habe, Frau Müller?!“

„Neinja.“

„Also, was wollen Sie?

„Konsequenz!“

 „Häh?“

„Seien Sie konsequent, sonst kann ich Sie nicht mehr ernst nehmen. Entweder Sie gehen nicht mehr, oder nur noch hoch geschützt so solchen Veranstaltungen, oder Sie gehen zweimal die Woche mit mir schwimmen. Ihre Entscheidung. Punkt.“

Anspüche

„Habe mich von meiner Freundin getrennt. Die war zu dick, aber sonst okay.“

„Ähm, soll ich dir mal Waage und Spiegel leihen?“

Ausreden

„Du solltest mal eine Kur machen.“
 
„Das geht doch nicht. Ich kann doch meinen Mann mit den Kindern nicht alleine lassen!“
 
„Aber seine Schuhe kann er schon alleine binden, oder?“

Niveau, unter Teppichkante

 „Gibt es denn keine geileren Fotos von dir?“

„Welches hättest du gerne? Eins vom fertigen Abwasch oder eins von den geputzten Fenstern?“
Es gibt so Menschen, da könnt ich einfach zuschlagen. ... ... ... ... Also, den Messenger natürlich ... ... ... Zuschlagen, ähm, abwürgen, ... ... wegkicken ... ne, wegklicken ... also schließen. Ja, schließen, meinte ich. Den Messenger.
🤦‍♀️

Der Bewahrer

„Ich bin halt ein Konservativer, Frau Müller!“
 
„Heißt?“
 
„Ich will bewahren, was gut und richtig war und ist.“
 
„Okay. Gut und richtig sind immer kontextabhängig. Meint Zeit, Ort, Betrachter. Oder einfacher: Wer, wann, wo, warum. Wer bestimmt darüber was gut und richtig ist, an welchem Ort, in welchen historischen Zusammenhang, mit welcher Intention.“
 
„Na, jetzt werden Sie aber pampig Frau Müller!“
 
„Noch einfacher: Sie wollen bewahren, was gut und richtig ist. Also, wer entscheidet denn darüber was nun gut und richtig ist?“
 
„Na, ich!“
 
„Eben, das meinte ich doch.“ *andenkoppklatsch

Finsterwald

 „Wald. Ich hasse Wald. Er macht mir Angst und verwirrt mich. Ich mag die Ruhe der Wüste, die unendliche Weite und den Rhythmus des Meeres. Ich mag die Kühle und Klarheit hoher Gebirgszüge. Aber Wald? Igggiiit. Er flüstert und wabert, er verbirgt und täuscht. Es modert und krabbelt in ihm. Fäulnis wird bösartig versteckt unter verschämt lügendem Grün. Es bricht, knarrt, züngelt und schnurrt. Ein leises Murmeln, unverständlich, doch lockend, die ganze Zeit. Bäh, niemals könnte ich mich dort voller Gelassenheit aufhalten. Niemals. Ich meide ihn.“

„Oh, also dann wären Sie wohl nicht die richtige Person für eine Beisetzung auf einem Waldfriedhof, oder?“

„Nein, ganz sicher nicht. Nur über meine Leiche!“




Demos Berlin gegen Corona Maßnahmen


„Ich verstehe nicht, wie man zusammen mit Faschisten, Nazis, Rassisten und all dem Gesocks demonstrieren kann!“

„Und wer versteht schon, warum Sie daraus so ein Bohei machen, Frau Müller!“

„Aufhebens? Wenn Sie meinen.“

„Klar, denn Sie können es nicht ruhig und gelassen hinnehmen. Also, warum?“

"Vielleicht liegt es daran, dass ich noch persönlich Menschen kannte, die die Konzentrationslager überlebt haben. Oder mit Menschen zusammenlebte, die an Körper und Seele geschreddert aus dem Krieg kamen. Oder daran, dass ich als Kind und Jugendliche an dem pathologischen Schweigen der Erwachsenen fast erstickt bin. Oder einfach daran, dass ich gerne hier lebe und Gewalt und Hass zutiefst verabscheue. Oder schlichtweg daran, dass ich weiß, wohin eine rechte Haltung führt und worin sie wurzelt. Oder, oder … es gibt doch soooo viele gute Gründe, warum man gegen solche Zusammenrottungen sein muss und nicht schweigen darf.“

„Vielleicht sind Sie aber auch einfach nur eine kluge Frau, Frau Müller!“

„Danke, aber Schleimerei mag ich ebenso wenig.“

Spinnen


„Spinnen im Haus sind ein Indikator für besonders gutes Raumklima.“

„Ach wirklich? Ich werde Sie sanft daran erinnern, wenn ich Sie in den kommenden Tagen morgens eingesponnen als Nahrungsreserve im Bett finden werde.“

Zigeunerschnitzel

„Wenn Sie was gegen Zigeunerschnitzel haben, dann müssten Sie sich doch auch über ein Jägerschnitzel aufregen, Frau Müller!“

„Nun, ich glaube nicht, dass Jäger aufgrund ihres Jägerseins in Ausschwitz vergast worden sind, oder?“

Selbstgespräche


„Mit wem reden Sie da eigentlich die ganze Zeit, Frau Müller?“

„Na mit mir selbst. Danach fühle ich mich immer so wohlwollend angenommen und kompetent beraten.“

Anstand


Kind: „Was ist denn Anstand?“

Ich: „Er sagt dir, ganz tief in dir drin, was in einer bestimmten Situation gut und richtig ist.“

Kind: „Versteh ich nicht.“

Ich: „Beispiel: Du hast mir doch letztens erzählt, dass du die XY so gar nicht leiden magst.“

Kind: „Ja, die ist immer so gemein zu mir. Aber auch zu den anderen Kindern. Die lade ich bestimmt nie zu meinem Geburtstag ein.“

Ich: „Jetzt stell dir vor, du siehst, wie sie aus der Tür rennt, hinfällt und sich ganz arg weh tut. Was machst du dann?“

Kind: „Ist doch klar, ich renn hin und helfe ihr. Und ich schrei auch noch nach Hilfe.“

Ich: „Und warum machst du das? Du magst sie doch nicht?“

Kind: „Was hat denn das damit zu tun?“


Eben.

Alles da. Wir müssen es nur behüten, wässern und nähren.

Kiffen


„Warum ist Cannabis immer noch verboten?“

„Na ja, vielleicht, weil man bekifft keine Lust auf sinnloses Shopping, politisches Gedöns, Krieg, Gewalt und all so ein Zeugs hat.“

Maske


„Warum trägst du keine Maske?“
„Mein Gehirn bekommt dann keinen Sauerstoff.“
„Ich glaube, der Zug ist schon vorher abgefahren.“

Sterben, so oder so.


„Ach, hören Sie doch auf, Frau Müller! Die meisten Coronatoten hatten doch Vorerkrankungen und wären eh bald gestorben.“

„Ja sicher, einige schon. Aber sie wären nicht elendig und alleine auf Intensivstationen verreckt, sondern wären vielleicht zuhause, im Kreis ihrer Lieben oder liebevoll begleitet in einem Hospiz gestorben. Und sie hätten vielleicht noch genug Zeit gehabt, einiges zu regeln und/oder in ihrem Sinne abzuschließen. Sich zu verabschieden. Das macht ja wohl schon einen Unterschied, oder? Oder!?“

Hummel


„Seit meiner Jugend träume ich von einer Wespentaille. Das wird wohl nichts mehr n diesem Leben.“ *seufz

„Ach komm, die Dinger werden eh überschätzt. Ich habe eine erstklassige Hummeltaille und die stand mir noch nie im Wege bei irgendwas.“ *strahl

Misslungene Kommunikation


"Wir sollten uns besser auf die künftigen Bedrohungen aus und in der Luft vorbereiten."

"Sag ich doch. Wir brauchen mehr Drohnen, Starfighter und überhaupt mehr Geld für Waffen!"

"Ähm, wir sprachen gerade über Viren. Über was sprachst du?"

Sofort!


„Sir A… S…, kommen Sie bitte mal in die Küche! Sofort!“

„Ohjeh, Frau Müller ruft mich bei meinem vollen Namen. War schön mit Euch. Mein Testament liegt im Schreibtisch, unterste Schublade, links.“

*allerliebstlächelnd

Gibt es nicht


„Den Virus gibt es doch gar nicht.“

„Wie kommst du denn auf den dünnen Ast?“

„Also, ich kenne niemanden, der den Virus hatte. Also gibt es den nicht.“

„Ähm. Ich kenne auch niemanden aus Petersburg. Dann gibt es diese Stadt wohl gar nicht.“

„So kann man doch nicht argumentieren, Frau Müller!“

„Exakt.“

Ich stelle fest: Mein Dialogwillen erreicht eindeutige seine Grenzen.

Datenschutz


„Ich musste heute im Restaurant meine Kontaktdaten hinterlegen. Eine Unverschämtheit! Wir werden ausspioniert!“

„Okaaay. Das schreibst du mir gerade auf Facebook. Von deinem Handy aus.“

Wo leben wir denn?


„Wir leben in einer Diktatur! Deshalb habe ich gestern dagegen demonstriert.“

„Du lebst aber noch, oder?“

„Klar.“

„Bist körperlich unversehrt und nicht im Knast?“

„Ja sicher.“

„Deine Familie wurde auch nicht wegen deiner Teilnahme an der Demo von Polizei oder anderen Staatsorganen behelligt?“

„Natürlich nicht!“

„Und du kannst auch offen und frei über deine Teilnahme in den sozialen Medien und in deinem sozialen Umfeld berichten?“

„Also hör mal, natürlich! Wo denken Sie, leben wir denn?“

„Eben! Wir leben ganz, ganz sicher nicht in einer Diktatur!“

Duft


„Es liegt was in der Luft.“

„Könnten wir bitte zumindest während des Frühstücks
auf das Thema Corona verzichten!“

„Ich meinte, den milden Duft des Frühlings, verdammt.“

Aprilscherz


„Draußen scheint die Sonne und es ist richtig warm!“

„Ja klar, erster April und so.“

„Warum sind Sie nur immer so negativ, Frau Müller?“

„Weil ich, während Sie noch gepennt habe, schon in der Kälte bibbernd mit Hundi Gassi war. Außerdem habe ich von meinem Fensterplatz aus einen direkten Blick auf die trüben Wolken da draußen.“

„Fantasie, Frau Müller, Ihnen fehlt es einfach an Fantasie!“

„Und Sie sind Fakten resistent. Aber gut, wenn Sie meinen, es sei mild und sonnig draußen, dann dürfen Sie heute den Hof kehren und die Stühle abwaschen, damit wir dann gemütlich draußen sitzen können.“

„Ähm, so habe ich das jetzt aber nicht gemeint.“

„Ich aber schon. Und das ist kein Aprilscherz. Also, die Bermudas an und raus mit Ihnen.“

Gesellschaftliche Highlights in Zeiten der Quarantäne


„Oh, Sie haben sich ja richtig chic gemacht. Wo geht es denn heute hin?“

„Ich stell nachher die Mülltonnen raus.“

Hört auf mit 2015


"2015 darf sich nicht wiederholen!"

"Ähm, was war nochmal 2015 so Schlimmes in unserem Land passiert?"

"Na, die Millionen Flüchtlinge bei uns!"

"Und? Was hatte das denn für konkrete negative Folgen für dich? Also, Sachen, die es vorher nicht auch schon gab und dir unterm Arsch brannten?"

"Äh. Ja. Nun... Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit ... und so was."

"Ach, die gab es vorher nicht?"

"Sie verstehen gar nichts, Frau Müller!"

"Stimmt, ich verstehe dich nicht. Aber, da ich ja keinen Auftrag von dir habe und somit nicht deine Therapeutin bin, muss ich das zum Glück auch nicht."


*Anmerkung
Ich kann das Gerede von dem schrecklichen 2015 nicht mehr hören. Es ist reine Propaganda. Und auch die Linken bedienen mittlerweile diese Schiene. Klartext: Es ist nichts Schreckliches 2015 in der BRD passiert. Gar nichts. Außer, dass sich deutsche Waffenexporte erhöht hatten, die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter geöffnet hat und Nazis Angst-Legenden aufgebauten, die ihnen dann Stimmen und Wähler zugespült haben.

Trendig


"Ich trete dann mal zurück!"

"Oh, Frau Müller ganz im Trend. Von was treten Sie denn zurück?"

"Ich mach Ihnen Platz in der Küche und erwarte ein perfekt angerichtetes Frühstück in genau 17 Minuten!"

Kritik versus Diskriminierung


„Sobald ich meine politische Meinung sage, werde ich diskriminiert!“

„Nein, wirst du nicht.“

„Werde ich doch, Frau Müller. Sofort kommen Kritiken und Angriffe!“

„(D)eine Meinung wählst du frei und eigenverantwortlich. Für diese kannst du kritisiert und beurteilt werden. Das gehört dazu. Diskriminiert wird man aber nur für Eigenschaften, die man nicht frei wählen kann. Also sowas wie Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, sexuelle Veranlagung. Du wirst also nicht diskriminiert.“

„Sie sind blöd.“

„Da diese, deine Aussage, zwar eine leicht beleidigende, aber keine Diskriminierung ist, kann ich damit ganz unaufgeregt leben.“

Wo möchten Sie leben?


„In welchem Land würden Sie gerne leben, Frau Müller?“

„In diesem Land. Ich bin froh und dankbar, dass ich hier geboren wurde, aufgewachsen bin und immer noch lebe. Hier gab es in meiner Lebenszeit weder Krieg, noch Hungersnöte. Es gab keine Diktatur, keine Ermächtigung, keine lebensbedrohlichen Militäraktionen. Ich konnte zur Schule gehen, studieren, mich einbringen mit bürgerlichem Engagement. Ich musste nicht um mein Leben oder das Leben der Meinigen fürchten. Wenn ich mich gegen den Mainstream wandte, konnte ich dies offen und ohne einen nachhaltigen körperlichen Schaden zu nehmen tun. Ich konnte Form und Ausgestaltung meines Lebens eigenverantwortlich wählen.“

„Das ist aber sehr blauäugig, Frau Müller! In Ihrer Lebenszeit gab es die Zeit des Berufsverbotes, die Folgen von Hartz IV, Aufrüstung, Not und Elend der Arbeitslosigkeit, Diskriminierungen jedweder Art. und, und, und … unsere Demokratie, unsere Geschichte der letzten Jahrzehnte strotzen nicht gerade nur von Erfolgsgeschichten, sondern haben auch ihre dunkle Seiten und Schattenwelten.“

„Das bestreite ich nicht. In keiner Weise. Aber ich konnte und kann mich einbringen. Kann mich laut und öffentlich dagegen wehren. Kann mich engagieren und kämpfen. Kann wählen, ob ich hinnehme oder nicht. Das mag für viele Menschen, weil es so selbstverständlich ist, nichts Besonderes sein. Für mich war und ist es etwas Besonderes, weil es das eben nicht überall auf der Welt gab und gibt. Rückblickend kann ich doch sehen, was sich im Laufe von fast sechzig Jahren geändert hat. Und vieles davon ist gut. Es könnte noch besser sein, manches ist erschreckend schrecklich, aber es ist eben auch vieles gut.“

„Doch jetzt scheint sich einiges, auch hier, zu verändern, oder?“

„Meine Komfortzone in diesem, meinem Land hatte und hat natürlich seinen Preis. Bezahlt haben und bezahlen tun den die Menschen in anderen Ländern durch, in vielen Fällen durch uns oder mit unserer Hilfe geförderte, verdeckte, initiierte, Ausbeutung, Hunger und Krieg.

Ihr Tod, Leid und Elend ermöglichten unter anderem meinem Land und auch mir die Schaffung der Rahmenbedingungen für ein annähernd freiheitliches und friedliches Leben, in denen es möglich war mit Themen wie z.B. Gleichberechtigung, Inklusion, Rechtssicherheit, Aufbruch traditioneller Rollenbilder in Familie und Arbeitswelt, Bürgerinitiativen, Meinungsfreiheit, Erziehung, Selbstverwirklichung und vielen mehr real zu experimentieren und diese Schritt für Schritt neu zu gestalten.

Es war absehbar, dass dies in einer globalisierten Welt nicht immer so weiter gehen könne und ich, wir uns an der Bezahlung des Preises irgendwann würden beteiligen müssen. Diese Zeit kommt nun. Ich sehe dies jedoch als große Chance: Lassen wir die Menschen, die jetzt zu uns kommen, teilhaben an den Kenntnissen und Errungenschaften der letzten sechzig Jahre. Teilen wir mit ihnen unsere Lebensart, unsere gewonnenen und verfestigten Werte und unseren Wohlstand. Aus der sich daraus ergebenden Mélange werden wir letztendlich langfristig als Menschheit alle nur profitieren können. Davon bin ich zutiefst überzeugt.“

Kassenbon Pflicht


„Wissen Sie, was der am häufigsten von mir wiederholte Satz in den letzten zwei Tagen war, Frau Müller?!“

„Nun, `Ich liebe und verehre Sie, Madame´ war es wohl nicht, das wäre mir ja aufgefallen.“

„Nein, `Ich will keinen Bon!´, der war es“

„Oh ja, den habe ich auch oft schon laut beim Betreten des Geschäftes in den Raum geworfen. Es juckte mich sogar in den Fingern, kleine Schachteln mit Münzgeld an den Kassen zu verteilen, damit man die NichtBonGeschäfte darüber laufen lassen könnte. Der Unmut, besonders in den kleineren Ladengeschäften, war übrigens auf allen Seiten deutlich spürbar.“

„Vielleicht sollten wir Buttons mit dieser Aufschrift herstellen?“

„Jawohl. Zwei unterschiedliche. Eine Serie mit `Ich will keinen Bon!´ Und die andere Reihe mit `Schwarzkasse? Gerne!`“

„Und dazu noch ein Hinweisschild mit `Sie wollen keine unnütze Warterei wegen dem ständigen Bonrollenwechsel? Kommen Sie an unsere Schwarzkasse. Da werden Sie zügig und ohne Unterbrechung abkassiert!´“

„Wow, Sie werden ja gerade richtig hastig kreativ. Könnten Sie das vielleicht auf andere Lebensbereiche ausweiten. Mir fielen da so spontan ein oder zwei ein, Sir.“