Sammelsurium

Gespräche in der realen, virtuellen, imaginären Welt mit Erwachsenen, Kindern und anderen Wesen.

Kritik versus Diskriminierung


„Sobald ich meine politische Meinung sage, werde ich diskriminiert!“

„Nein, wirst du nicht.“

„Werde ich doch, Frau Müller. Sofort kommen Kritiken und Angriffe!“

„(D)eine Meinung wählst du frei und eigenverantwortlich. Für diese kannst du kritisiert und beurteilt werden. Das gehört dazu. Diskriminiert wird man aber nur für Eigenschaften, die man nicht frei wählen kann. Also sowas wie Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, sexuelle Veranlagung. Du wirst also nicht diskriminiert.“

„Sie sind blöd.“

„Da diese, deine Aussage, zwar eine leicht beleidigende, aber keine Diskriminierung ist, kann ich damit ganz unaufgeregt leben.“

Wo möchten Sie leben?


„In welchem Land würden Sie gerne leben, Frau Müller?“

„In diesem Land. Ich bin froh und dankbar, dass ich hier geboren wurde, aufgewachsen bin und immer noch lebe. Hier gab es in meiner Lebenszeit weder Krieg, noch Hungersnöte. Es gab keine Diktatur, keine Ermächtigung, keine lebensbedrohlichen Militäraktionen. Ich konnte zur Schule gehen, studieren, mich einbringen mit bürgerlichem Engagement. Ich musste nicht um mein Leben oder das Leben der Meinigen fürchten. Wenn ich mich gegen den Mainstream wandte, konnte ich dies offen und ohne einen nachhaltigen körperlichen Schaden zu nehmen tun. Ich konnte Form und Ausgestaltung meines Lebens eigenverantwortlich wählen.“

„Das ist aber sehr blauäugig, Frau Müller! In Ihrer Lebenszeit gab es die Zeit des Berufsverbotes, die Folgen von Hartz IV, Aufrüstung, Not und Elend der Arbeitslosigkeit, Diskriminierungen jedweder Art. und, und, und … unsere Demokratie, unsere Geschichte der letzten Jahrzehnte strotzen nicht gerade nur von Erfolgsgeschichten, sondern haben auch ihre dunkle Seiten und Schattenwelten.“

„Das bestreite ich nicht. In keiner Weise. Aber ich konnte und kann mich einbringen. Kann mich laut und öffentlich dagegen wehren. Kann mich engagieren und kämpfen. Kann wählen, ob ich hinnehme oder nicht. Das mag für viele Menschen, weil es so selbstverständlich ist, nichts Besonderes sein. Für mich war und ist es etwas Besonderes, weil es das eben nicht überall auf der Welt gab und gibt. Rückblickend kann ich doch sehen, was sich im Laufe von fast sechzig Jahren geändert hat. Und vieles davon ist gut. Es könnte noch besser sein, manches ist erschreckend schrecklich, aber es ist eben auch vieles gut.“

„Doch jetzt scheint sich einiges, auch hier, zu verändern, oder?“

„Meine Komfortzone in diesem, meinem Land hatte und hat natürlich seinen Preis. Bezahlt haben und bezahlen tun den die Menschen in anderen Ländern durch, in vielen Fällen durch uns oder mit unserer Hilfe geförderte, verdeckte, initiierte, Ausbeutung, Hunger und Krieg.

Ihr Tod, Leid und Elend ermöglichten unter anderem meinem Land und auch mir die Schaffung der Rahmenbedingungen für ein annähernd freiheitliches und friedliches Leben, in denen es möglich war mit Themen wie z.B. Gleichberechtigung, Inklusion, Rechtssicherheit, Aufbruch traditioneller Rollenbilder in Familie und Arbeitswelt, Bürgerinitiativen, Meinungsfreiheit, Erziehung, Selbstverwirklichung und vielen mehr real zu experimentieren und diese Schritt für Schritt neu zu gestalten.

Es war absehbar, dass dies in einer globalisierten Welt nicht immer so weiter gehen könne und ich, wir uns an der Bezahlung des Preises irgendwann würden beteiligen müssen. Diese Zeit kommt nun. Ich sehe dies jedoch als große Chance: Lassen wir die Menschen, die jetzt zu uns kommen, teilhaben an den Kenntnissen und Errungenschaften der letzten sechzig Jahre. Teilen wir mit ihnen unsere Lebensart, unsere gewonnenen und verfestigten Werte und unseren Wohlstand. Aus der sich daraus ergebenden Mélange werden wir letztendlich langfristig als Menschheit alle nur profitieren können. Davon bin ich zutiefst überzeugt.“

Kassenbon Pflicht


„Wissen Sie, was der am häufigsten von mir wiederholte Satz in den letzten zwei Tagen war, Frau Müller?!“

„Nun, `Ich liebe und verehre Sie, Madame´ war es wohl nicht, das wäre mir ja aufgefallen.“

„Nein, `Ich will keinen Bon!´, der war es“

„Oh ja, den habe ich auch oft schon laut beim Betreten des Geschäftes in den Raum geworfen. Es juckte mich sogar in den Fingern, kleine Schachteln mit Münzgeld an den Kassen zu verteilen, damit man die NichtBonGeschäfte darüber laufen lassen könnte. Der Unmut, besonders in den kleineren Ladengeschäften, war übrigens auf allen Seiten deutlich spürbar.“

„Vielleicht sollten wir Buttons mit dieser Aufschrift herstellen?“

„Jawohl. Zwei unterschiedliche. Eine Serie mit `Ich will keinen Bon!´ Und die andere Reihe mit `Schwarzkasse? Gerne!`“

„Und dazu noch ein Hinweisschild mit `Sie wollen keine unnütze Warterei wegen dem ständigen Bonrollenwechsel? Kommen Sie an unsere Schwarzkasse. Da werden Sie zügig und ohne Unterbrechung abkassiert!´“

„Wow, Sie werden ja gerade richtig hastig kreativ. Könnten Sie das vielleicht auf andere Lebensbereiche ausweiten. Mir fielen da so spontan ein oder zwei ein, Sir.“